Reise in die eigene Mitte
Kursabschluss "Coaching mit System" am 04.04.2014 in Heyda
Der Staussee liegt im Nebel an einem Ort in der Mitte von
Nirgendwo. Gelegenheit, aufzubrechen zu Reisen in die eigene
Mitte.
Am Wochenende geht in Heyda (Thüringen) ein
Ausbildungskurs zu Ende. Ich bin als Vorstand und Gast geladen
und bewundere zunächst die inspirierende Umgebung. Am sandigen
Ufer, das im Sommerlicht zum Verweilen, in Herbst und Winter zu
ausgedehnten Wanderungen einlädt, liegen Wurzeln alter Bäume.
Wie ausgemergelte Spinnen weisen ihre Ausladenden Beine in die
Vergangenheit.
Der Tagungsraum thront über den Dingen,
der Blick kann in die Ferne schweifen. Zehn Menschen sind sich
unter der Leitung von Iris Sydow an sechs Ausbildungswochenenden
begegnet. Hinter ihnen liegen intensive Erfahrungen mit sich
selbst, mit einander, mit Methoden des Coachings und der
Kommunikation. Sie sind gewachsen: individuell, miteinander.
Das Fluidum einer gemeinsam gewachsenen Ausbildungsgruppe
schlägt mir entgegen. Schnell fühle ich mich als Gast integriert
in eine erste Arbeitssequenz am Stauseeufer. „Stellt Euch vor,
Ihr seid die Mannschaft eines Schiffes, und das Schiff sinkt.
Ihr habt nur jeweils eine Rettungsinsel mit der Ihr nur
gemeinsam mit den anderen das rettende Festland erreichen
könnt!“ Schnell ist EINE Mannschaft entstanden – die Wirksamkeit
analoger Methoden.
Während die KursteilnehmerInnen am
ersten Tag des letzten Kursabschnittes ihre Abschlussarbeiten
präsentierten, stellen sie am zweiten Tag in Dyaden erarbeitete
Methoden für Coachingprozesse vor. Ich bin beeindruckt vom
Engagement und Aufwand in der Vorbereitung, den fachlich
umfassenden Präsentationen und der erlebbaren Wirksamkeit der
jeweiligen Methoden, wenn sie gemeinsam mit der Gruppe erprobt
werden.
Immer deutlicher tritt für mich eine Idee von
Niklas König (Akademie Remscheid) in den Vordergrund, diejenigen
analogen Methoden durchaus als Spiel zu bezeichnen, die den
RezipientInnen einen spielerischen Zugang zu einer Thematik
ermöglichen. Mich beeindruckt die Leichtigkeit, mit der,
angetriggert durch eben diese Spiele, Menschen plötzlich
freudvoll und mit Lachen miteinander in Aktion treten,
unbewusste Ressourcen aktivieren und zu bildhaften Feedbacks in
der Lage sind, die im Kopf sicher nicht ohne weiteres möglich
scheinen.
Als andere besondere Erfahrung erlebe ich die
Rückmeldungen zu den dargebotenen halbstündigen Sequenzen. Iris
Sydow nutzt die in den Darbietungen verwandten Kernaussagen, um
sie in Feedbackformate zu verwandeln, z.B.: „Nutze eine der
dargestellten Rollen für Deine Rückmeldung an die Akteure!“ So
entstehen immer wieder neue Formen positiv konnotierter,
achtsamer und wertschätzender Rückmeldungen. Die besondere
Wirkungen derartiger Würdigung ist den Gesichtern und Haltungen
der Empfänger zu nentnehmen.
Am Ende des Tages steht die
Gewissheit, den Abschluss eines Ausbildungskurses erlebt zu
haben, der Menschen einen wertvollen Entwicklungsraum bereit
gestellt hat, der gefüllt war mit der Möglichkeit zur
Authentizität, mit Wertschätzung und Gleichwürdigkeit, mit einem
hohen fachlichen Anspruch.
Am nächsten Morgen ziehen
leichte Nebelschwaden über die alten Baumwurzeln am Stauseeufer,
um der aufsteigenden Sonne Raum zu schenken und Mensch und Natur
einen wundervollen Frühlingssonntag.
Tobias Schumann